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24. April 20

Neue Wege der Virtualität in der Führungskräfteauswahl

Virtuelle Teilschritte in der Führungskräfteauswahl sind insbesondere im internationalen Bereich schon lange üblich. Beispielsweise werden Vorgespräche mit Kandidatinnen und Kandidaten via Skype oder ähnliche Tools geführt um zu entscheiden, ob jemand für weitere Gespräche eingeladen wird.

Sobald eine Shortlist von 3-5 Personen erstellt ist, werden zur Vorbereitung auf das entscheidende Hearing von vielen Firmen auch Potentialeinschätzungen durch Online-Assessment-Tools vorgenommen. Diese geben über entsprechende Dispositionen der Persönlichkeit mit ihren Verhaltenspräferenzen Auskunft und bereichern den Auswahlprozess mit der Perspektive zur Person. Zusätzlich werden mit den Kandidatinnen und Kandidaten zumeist Assessment- bzw. Feedbackgespräche durch professionelle, auf die jeweiligen Online-Tools zertifizierten Beraterinnen und Berater geführt. Daraus werden Berichte erstellt, welche beim Hearing den Entscheidern mit vorliegen.

Wenn die Kandidatinnen, Kandidaten oder die Assessoren weite Anreisen hätten, werden diese vorbereitenden Assessment-Gespräche, die bei der Shortlist in der Regel 2-4 Stunden dauern, gerne virtuell durchgeführt. Dies begann schon Mitte 2000 mit telefonischen Set-ups und wird heute mit den entsprechenden professionellen Tools wie Skype for Business, MS Teams u.ä. durchgeführt. Es ist erstaunlich, welcher Grad von Austausch, Nähe und Aufrichtigkeit in dieser Art von virtuellen Gesprächen hergestellt werden kann, wenn beide Seiten für dieses Setting bereit und offen sind. Diese Offenheit herzustellen gilt in der Führungskräfteauswahl immer als erfolgskritisch - ob virtuell oder face-to-face. Sie ist zweifelsfrei voraussetzungsvoll und bedingt eine hohe Transparenz über den Zweck des Assessment-Gespräches im Gesamtprozess, einer wertschätzenden Einbindung der Kandidatinnen und Kandidaten in den Umgang mit den Ergebnissen, Sicherheit über die Datenverwendung und anderes mehr. Bemerkenswert ist die hohe Qualität dieses virtuellen Teilschrittes und seine Aussagekraft im Auswahlverfahren.

Was die letzten Wochen in einigen Auswahlverfahren gezeigt haben, ist die bemerkenswerte Qualität eines Verfahrens, das den Gesamtprozess virtualisiert hat! Aus der Not eine Tugend gemacht hat z.B. ein produzierendes Unternehmen, das mitten im Besetzungsprozess für eine überregionale Sales-Manager-Position vom Shutdown überrascht wurde. Aufbauend auf die bereits virtuell angesetzten Assessment-Gespräche wurden auch die Vorbereitungen und das Hearing mit Vorständen, HR, Aufsichtsrat und externer Moderation auf virtuelle Kollaboration umgestellt. Das von der Kundenseite präferierte Tool Zoom hat hier hervorragende Dienste geleistet. Aufgrund der positiven Erfahrung hat dieses Unternehmen inzwischen noch zwei weitere Top-Führungspositionen auf diesem Weg besetzt.

Beobachtete vorteilhafte Effekte der Virtualisierung des Verfahrens:

  1. Eine schnellere Taktung des Verfahrens aufgrund wegfallender Erfordernisse von An- und Abreisen.
  2. Eine hohe Sachorientierung der Diskussion auf die verschiedenen fachlichen Argumentationsebenen einschließlich der Ergebnisse der Potentialeinschätzung, da der Austausch und die Kommunikation stärker auf diese Kommunikationsebene angewiesen ist.
  3. Eine tendenzielle Symmetrisierung aller Beteiligten durch die gleiche Positionierung auf den Bildschirmen, die an manchen Stellen eine höhere Offenheit in der Diskussion zu ermöglichen scheint.

Beobachtete nachteilige Effekte der Virtualisierung:

  1. Viele nonverbale Signale, die uns normalerweise soziale Sicherheit verschaffen und Einschätzungen mitprägen, fallen als Informationsquellen weg.
  2. Das soziale Klima am Anfang herzustellen, dass man sich mit der Situation und dem gemeinsamen Interesse verbunden weiß, braucht besondere Aufmerksamkeit, da man sich nicht informell einschwingen kann.
  3. Es ist eine hohe Disziplin aller Beteiligten erforderlich, die feineren Dynamiken von Austausch, Diskussion und Meinungsbildung auszudrücken, aufzunehmen und hinreichend zur Geltung zu bringen. An dieser Stelle gibt es auch natürliche Grenzen und die Moderation eines konfliktreichen Diskussionsverlaufes bedarf viel Erfahrung.
  4. Die übliche erhöhte Anstrengung virtueller Kommunikation bei längerer Meetingdauer und die damit verbundene Gefahr schneller abfallender Konzentration der Teilnehmer.

Erfolgskritisch:

  • Alle Beteiligten benötigen eine vergleichbare Geübtheit im Umgang mit dem verwendeten Kommunikationstool.
  • Ausreichende Pausenzeiten im virtuellen Hearing, um auch informelle Seitengespräche über andere Kanäle zu ermöglichen.
  • Eine geübte technische Moderation, die alle nötigen Materialien und Gesprächsinformationen in jeweils geeigneter Form zur Verfügung stellt.
  • Eine geübte Moderation des Gesamtprozesses mit Erfahrung in der Gestaltung virtueller Kommunikations- und Kollaborationsformate.

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