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26. März 24

Was ist neu? Ist was neu?

Ein Blick in aktuelle Literatur rund um das Thema Strategie

Wir haben einen Blick in aktuelle Veröffentlichungen rund um das Thema Strategie geworfen und haben dabei vier Themen entdeckt, die uns zum Weiterdenken angeregt haben:

  • Wie kann Strategie in Krisenzeiten gelingen?
  • Wie können Organisationen Strategie und Politik zusammendenken?
  • Dialog, Diskussion und Dissens in der Strategieentwicklung sind wichtig.
  • AI Strategy ist eines der meistgenutzten Buzz-Words. Was genau steckt dahinter?

Wie können Organisationen Zukunft planen und gestalten, wenn die Welt ständig von Krisen erschüttert und auf den Kopf gestellt wird? Zu dieser Frage sind in den vergangenen Jahren viele Bücher und Artikel veröffentlicht worden. Krise ist dabei ein Sammelbegriff für unterschiedliche erschütternde, bedingt vorhersagbare und in ihren Auswirkungen kaum planbare Ereignisse (z.B. der Brexit, die COVID-19-Pandemie oder der Ukraine-Krieg). Unter dem Strich bedeutet Krise für Organisationen, dass bewährte Muster nicht mehr greifen. Sehr anschaulich abgebildet ist dieses Mehr an wahrgenommener Unsicherheit im Economic Policy Uncertainty Index, der seit 2007 im Mittel stark ansteigt. Für Strategiearbeit gilt also weiterhin: Es braucht eine andere Art der Unsicherheitsbearbeitung als die mehrjährige, top-down-getriebene Unternehmensstrategie. Zwei Dinge, die wir spannend fanden:

  1. Der Szenarienanalyse steht ein Comeback bevor, wenn Organisationen vermehrt "What If"-Pläne für das Eintreten weiterer Krisen bereitlegen (z.B. eine Zuspitzung des Konflikts zwischen China und Taiwan, die Wiederwahl von Donald J. Trump als US-Präsident).
  2. Die häufige und teilweise unklare Verwendung des Begriffs "Krise" in der Strategiearbeit erscheint uns ambivalent. Zur Argumentation einer notwendigen Veränderung ist eine Krise hilfreich ("weg von"). Für die langfristige Weiterentwicklung einer Organisation braucht es in der Change Story jedoch ein anderes Narrativ ("hin zu"). Wir raten zu einer wohl durchdachten und dosierten Krisenerzählung.

Interessant fanden wir auch die Frage: Wie klar wollen sich Organisationen in ihrer Strategie zu politischen und gesellschaftlichen Themen positionieren? Welche Werte stehen neben oder gar über dem Profit? Roger L. Martin und Martin Reeves beschreiben in ihrem HBR-Artikel "Strategy in a Hyperpolitical World" Beispiele von Organisationen und ihre Reaktionen auf politische Ereignisse: Disneys Einsatz für LGBTQ+-Rechte oder der Austritt von McDonald’s aus dem russischen Markt nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Hierzulande kann man die Positionierungen gegen Rechts danebenlegen – beispielsweise jüngst von Jenoptik. Das Thema lädt – auch anknüpfend an die Diskussionen zur doppelten Verantwortung von Führung aus unserem Co-Evolution Lab – zu spannenden und spannungsvollen Diskussionen ein: Wie tief gehen diese Entscheidungen ins Business? Welche Organisationen wollen/müssen/können/dürfen sich eine solche Positionierung leisten?

In der Strategiearbeit muss man irgendwann zu einer gemeinsamen Position kommen, zu einer geteilten Vision und zu gemeinsamen Zielen. Auf dem Weg dahin ist aber Dissens notwendig. Denn nur durch den Abgleich abweichender Meinungen können gemeinsame Perspektiven für die Zukunft entstehen. Diese Räume müssen von den Führungskräften eröffnet werden. Martin Reeves, Mihnea Moldoveanu und Adam Job beschreiben in dem HBR-Artikel "Why Conflicting Ideas Can Make Your Strategy Stronger", dass es zunehmend darum geht, Strategie als einen Optionenraum zu sehen und für die Entwicklung dieses Optionenraumes die Bedingungen und Möglichkeiten zu schaffen. Die Autor*innen nennen das "unlock radical optionality" und beschreiben, wie es möglich wird, dass Mitarbeitende Ideen auch dann schon teilen, wenn sie noch nicht voll entwickelt sind. Wie es möglich wird, dass Führungskräfte ihre eigenen Ideen korrigieren und doch bei der gleichen Story bleiben und sie beschreiben, dass es unbedingt notwendig ist, eine Umgebung zu kreieren, in der verschiedene Perspektiven kollidieren können, damit daraus neue Ideen und Perspektiven entstehen können.

Nachdem das Stichwort "AI Strategy" in vielen Artikeln, die wir recherchiert haben, aufgetaucht ist, haben wir uns gefragt, was eigentlich genau eine AI Strategy ist. ChatGPT gibt darauf diese Antwort: "Eine KI-Strategie zielt darauf ab, das Potenzial der KI-Technologie zu nutzen, um Wertschöpfung voranzutreiben, das wirtschaftliche Wachstum zu fördern und gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass KI verantwortungsbewusst und ethisch entwickelt und eingesetzt wird." Viele der Artikel sind interessante "How to"-Artikel, die beschreiben, wie Unternehmen die Möglichkeiten von AI nutzen und implementieren können. Ein Artikel sticht hier besonders heraus: "How to Capitalize on Generative AI. A guide to realizing its benefits while limiting its risks" von Andrew McAfee, Daniel Rock und Erik Brynjolfsson in der HBR. In diesem Artikel beschreiben die Autoren nicht nur das Vorgehen, sondern auch eine Grundkompetenz, die Unternehmen entwickeln müssen: die Fähigkeit, schnell durch "repeated OODA loops of observing the situation, orienting for action, deciding what to do, and then acting" zu gehen.

Literatur

Baker, Bloom & Davis: Economic Policy Uncertainty Index (www.policyuncertainty.com)

Forster, Ulrich, Ulrich & Gruber (2023): Unternehmenskrisen erfolgswirksam managen – Strategische Business Transformation als Königsdisziplin (Springer)

Lanzer, Sauberschwarz & Weiß (2020): Erfolgreich durch die Krise – Strategieentwicklung in Zeiten von Finanzkrise bis Corona (Springer)

Martin & Reeves (2022): Strategy in a Hyperpolitical World (Harvard Business Review)

McAfee, Rock & Brynjolfsson (2023): How to Capitalize on Generative AI. A guide to realizing its benefits while limiting its risks (Harvard Business Review)

Reeves, Moldoveanu & Job (2023): Why Conflicting Ideas Can Make Your Strategy Stronger (Harvard Business Review)

Wenzel, Stanske & Lieberman (2021): Strategic responses to crisis (Strategic Management Journal)

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